Der Dragenschlinger

"So höret nun die Legende vom Dragen Schlinger, dem Ewigen, der der Sohn des Bölnir und der Heltari ist; eine Geschichte voller Leid, aber auch voller Hoffnung.

Der Märe erster Teil: Vom jungen Gerfried 
Vor langer, langer Zeit, als die Stämme unseres Landes noch ungeeint waren und die Siechbringer und Balgwandler das Land beherrschten, thronte über den Dragenfelsen der gnadenlose Schlinger. Jeden neuen Mond verlangte er ein Opfer, das ihm vom großen Vogt vor seine Höhle gebunden werden mußte. Das Opfer mußte eine jungfräuliche Edle sein, reich mit Gold und Edelsteinen behangen. Schon viele mutige Männer hatten sich dem Ungetüm gestellt, doch nie war einer heimgekehrt. Zu dieser Zeit nun lebte die Sippe des Raimer, vom Stamm der Gerander, in einem kleinen Dorfe zu Füßen der Dragenfelsen. Ihr Hothmann war Gerald der Starke. Dieser hatte drei Söhne und eine kleine Tochter, welche Siegdrun geheißen wart. Zu diesem Mond nun war die Sippe des Raimer geheißen, dem Dragen ein Opfer zu bringen, und so kam der große Vogt zum Hothmann Gerald, seine Tochter zu holen. Eine Nacht und einen Tag dauerte die große Zeremonie, dann wurde die kleine Siegdrun fortgenommen. Gerald der Starke aber war vor Trauer so krank geworden, daß er seine beiden ältesten Söhne zum Geleit mit sandte. Der jüngste Sohn des Hothmannes aber, Gerfried wart er geheißen, hatte einen Traum, von den Göttern gesandt. Hernir befahl ihm, seinen Speer zu nehmen und dem großen Vogt und seinen Geschwistern zu folgen. Als Gerfried erwachte, hatte ihm der Göttervater die Siegesrune auf die Stirn geritzt. Gerfried also nahm seinen Speer und lief zur Höhle des Schlinger, vor die der große Vogt seine Schwester band. Gerfried aber versteckte sich, bis seine beiden Brüder und der große Vogt gegangen waren und seine Schwester besinnungslos zurückließen. Kauernd hinter einem Felsen erwartete er das riesige Haupt des Ungeheuers aus der Höhle ragen zu sehen, doch nichts geschah. Da beschloß Gerfried, im festen Glauben an den Beistand der Götter, die Höhle zu betreten und den Dragen dort herauszufordern. Und so schritt der junge Gerfried, Sohn des Hothmannes Gerald von der Sippe des Raimer aus dem Stamme der Gerander, in die Höhle des Dragen hinein, den Schaft seines Speeres fest umklammert. Als am nächsten Morgen der große Vogt und die beiden ältesten Söhne des Hodmannes Gerald zur Dragenhöhle zurückkehrten, fanden sie die wimmernde aber gesunde Siegdrun. Vor dem Eingang zur Höhle aber lag der Umhang des jungen Gerfried. Seitdem wurden weder der Drache Schlinger noch der junge Gerfried je wieder gesehen. Die Höhle aber wurde verschlossen, und alle Goden Mentariens kamen zusammen und versiegelten sie, auf daß sie keine Menschenhand wieder öffnen könne. Ohne das Joch des Dragen gelang es Siegmund dem Waren keine zwei Monde später, alle sieben Stämme zu einen und die Siechbringer und Balgwandler zu bezwingen. Siegmund der Ware wurde zum ersten Valtmann Mentariens gewählt und so hielten Frieden und Wohlstand im Land am großen Strom Einkehr.

Der Märe zweiter Teil: Vom Roland von Danquardessen
Viele Generationen später kam der große Bruderkrieg, und mitten im großen Strom brach der Feuerspeier aus. Daraufhin legten die Fürsten ihren Streit bei. Dies war auch die Zeit, in der die neue Religion kam. Nur wenige unseres Volkes blieben unseren Göttern und unseren Traditionen treu. Doch Jahre später brach eine neue Plage über uns herein. Die Siechbringer und Balgwandler verwüsteten die Dörfer und Städte und vernichteten die Ernte. Aber dies war Bölnir noch nicht genug, denn er sandte einen Diener, seinen ältesten Sohn zu befreien. Dieser Mann war ein mächtiger Zauberer aus dem Pendrum. So kam der Mann mit seinen Getreuen zur Höhle des Schlinger und vollführte einen mächtigen Zauber, der die alte Magie der Goden zerschlug. Und so erwachte der Dragen erneut und kam mit einem gewaltigen Zorn über das Land. Viele Monde lang herrschten Angst und Schrecken, und viele Menschen starben einen grausamen Tod. Die Überlebenden sammelten sich in den letzten Städten und Festen. Eines Nachts aber flog der göttliche Adler mit so einer Pracht über das Land, daß wieder Hoffnung aufflammte. Ein Nachfahre der Edlen der Gerander hatte sich mit den letzten seiner Krieger auf die Feste Danquardessen zurückgezogen. Dieser Mann des Reichs hieß Roland, und er war der Herr des neuen Reichs und der Graf von Karlenberg. In seinem Land lagen die Dragenfelsen und dort lebte auch viele Jahre zuvor die Sippe des Raimer. Als Roland den Vogel mit den goldenen Schwingen über seiner Burg sah, da wußte er, daß die Zeit gekommen war. So nahm er also seinen Sohn Brenfried und die besten seiner Getreuen und ritt gen dem Dragenhort. Am Abend hatten sie den alten Steinbruch der Dunkelalben nahe der Höhle erreicht, in dem sie lagerten. Graf Roland aber schlich sich zum Dragenhort, um das Ungetüm von Nahem zu betrachten. Und als er den Schlinger sah, da wußte Roland, er würde den Kampf nicht überleben. Der Schlinger aber erhob sich auf seinen gewaltigen Schwingen in die Lüfte und flog von dannen. Roland wollte gerade wieder umdrehen, als er über der Höhle einen goldenen Vogel erblickte. Es war Goldschwinge, der Götterbote. Graf Roland lief zur Höhle hinauf und fand zwischen den Felsen eine pechschwarze Schuppe aus dem Panzer des Dragen. Er dankte seinem Gott und kehrte zu seinen Mannen zurück. In der selben Nacht noch, in dem alten Steinbruch der Dunkelalben nahe dem Dragenhort, gab der Rittersmann Roland von Danquardessen, Markgraf von Mentarien und Graf von Karlenberg, Titel und Land an seinen Sohn Brenfried weiter. Und in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages zogen sie zur Höhle des Dragen. Von allen mutigen Streitern, die die Höhle betraten, kamen nur wenige wieder heraus. Unter diesen wenigen war auch Brenfried, der neue Herr Mentariens. Der Schlinger aber war zum zweiten Male besiegt worden. Und von neuem Mut gestärkt, bezwangen unsere Ahnen die Streiter der Unterwelt. Und die Zauberer aus dem Pendrum kamen zusammen und versiegelten den Dragenhort ein zweites Mal, auf daß kein Mensch ihn jemals wieder finden noch öffnen könne. Doch viele Generationen später kamen die Wesen der Unterwelt erneut über das Land. Und dieses Mal konnten die Verdammten schnell bezwungen werden, denn das Land war so stark wie nie zuvor. Auch blieb die Höhle des Schlinger vor den Augen Bölnirs verborgen. Bis zum heutigen Tage schläft der Dragen in seinem Hort, und mit ihm alle Helden, die ihn bekämpft haben. Doch die Legenden berichten auch davon, daß er eines Tages wieder erwachen wird. Dann wird er erneut über das Land wüten, und mit ihm die Balgwandler und Siechbringer und alle Streiter der Unterwelt, und sie werden sein wie Schatten in der Nacht."

 

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